| Veranstaltung: | Delegiertenversammlung | 52. BMV |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 15 Anträge |
| Antragsteller*in: | Laurenz Schulz (CampusGrün Münster) |
| Status: | Eingereicht (ungeprüft) |
| Eingereicht: | 27.11.2025, 19:48 |
Gegen neoliberale Regelstudienzeiten. Für mehr Individualität im Studium!
Antragstext
Die 52. Bundesmitgliederversammlung von CampusGrün möge beschließen:
“Ursprünglich als studierendenfreundlicher Rechtsanspruch konzipiert, um nicht
während des Studiums die Streichung des Studiengangs befürchten zu müssen, dient
die Regelstudienzeit heute zunehmend als Instrument politischer Steuerung und
neoliberaler Optimierung. Die normative Umdeutung hin zu einem Maßstab für
‚richtiges‘ oder ‚falsches‘ Studieren führt zu finanziellen und psychischen
Belastungen sowie gesellschaftlicher Stigmatisierung. Dies gilt es zu
kritisieren. Wer länger studiert, gilt als „zu langsam“, was insbesondere durch
das BAföG-System sanktioniert wird. Die Lebensrealität vieler Studierender
findet dabei kaum Berücksichtigung. Idealisierte Bedingungen fürs Studium
scheitern tagtäglich an überfüllten Lehrveranstaltungen, Lohnarbeit zur
Finanzierung des Lebensunterhalts, psychischen Belastungen, gesundheitlichen
Einschränkungen oder Care-Arbeit. Dennoch wird die Regelstudienzeit als Maßstab
gesetzt, obwohl nur etwa jede dritte Person ihr Bachelorstudium innerhalb dieser
Zeit abschließt.
Es braucht eine nachhaltige strukturelle Neuausrichtung der
Studienzeitregelungen und einen klaren Bruch mit der Funktion der
Regelstudienzeit als Druckmittel.
Als CampusGrün fordern wir:
Die Abschaffung der Regelstudienzeit als restriktives Kontrollinstrument
sowie die Rückkehr zu einem ausschließlichen studierendenorientierten
Rechtsanspruch.
Eine Entkopplung des BAföG-Anspruchs vom Kriterium der Regelstudienzeit
und eine Kopplung an flexiblere individuelle Regelungen.
Eine umfassende Reform der Studiengangsgestaltung, die mehr Flexibilität
sicherstellt.
Die Entwicklung eines bundesweit einheitlichen Modells einer `flexiblen
Studienzeit´, das individuelle Lebensrealitäten berücksichtigt,
Planungssicherheit gibt und Studierende nachhaltig entlastet.
Mehr Räume für kritisches Denken, gesellschaftliches Engagement,
persönliche Selbstentfaltung und wissenschaftliche Neugier im Studium, um
junge Erwachsene nicht bloß schnellstmöglich dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung zu stellen.
Der Bundesvorstand wird beauftragt, diese Positionen aktiv in die politische
Arbeit von CampusGrün einzubringen. Insbesondere soll er:
Sich öffentlich klar gegen die derzeitige Ausgestaltung der
Regelstudienzeit positionieren
Sich auf Bundesebene für die Entkopplung des BAföG-Anspruches einsetzen
Umfassende Reformen der Studienzeitregelungen gegenüber politischen
Akteur*innen einzufordern
Verstärkt auf Belastungen, Stigmatisierungen und soziale Ungleichheiten
hinzuweisen, die durch die aktuellen Regelungen entstehen”
Begründung
Die Regelstudienzeit erfüllt längst nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck. Was einst als Garant für verlässliche Planung und transparente Studienstrukturen gedacht war, wurde normativ umgedeutet und politisch instrumentalisiert. Sie ist zu einem Maßstab geworden, der die Lebensrealitäten vieler Studierender ignoriert.
Gerade in einem Hochschulsystem, das zunehmend durch neoliberale Mantren wie Effizienzsteigerung, Optimierung oder Wettbewerb geprägt ist, fungiert die Regelstudienzeit als Hebel zur schnellstmöglichen Verwertung auf dem Arbeitsmarkt. Statt Räume für kritisches Denken, gesellschaftliches Engagement, persönliche Entwicklung und wissenschaftliche Neugier zu ermöglichen, werden Studierende in ein System gezwungen, das zu Stress, finanzieller Not, psychischer Belastung und Stigmatisierung führt.
Dies betrifft besonders diejenigen, die ohnehin strukturell benachteiligt sind. Studierende aus nicht-akademischen Haushalten, Studierende mit Care-Verpflichtungen, Studierende mit Behinderungen, Studierende, die psychische oder andere gesundheitliche Probleme bewältigen, oder Studierende, die neben ihrem Studium arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Sie alle werden durch eine starre, idealisierte Studienzeitdefinition benachteiligt.
Eine nachhaltige Neuausrichtung ist dringend notwendig. Ein progressives, gerechtes und zukunftsfähiges Hochschulsystem darf die Vielfalt von Lebenswegen nicht als Ausnahme, sondern als Normalität begreifen. CampusGrün muss sich klar positionieren, um einen hochschulpolitischen Wandel maßgeblich mitzugestalten.
